Rachesommer von Andreas Gruber ist der erste Band der Walter-Pulaski-Reihe und wurde 2010 erstveröffentlicht. Mittlerweile gibt es schon relativ viele Auflagen inklusive eines neuen Coverkleidchens seit 2018, damit alle Bücher der Reihe zusammenpassen. Ich persönlich mag das alte Cover ein bisschen lieber, zumal der Rettungsring tatsächlich annähernd etwas mit dem Inhalt von Rachesommer zu tun hat. Beim neuen Cover fehlt mir ein bisschen die Fantasie, aber es kommt ja bekanntlich auf den Inhalt an.
Und der kann sich sehen lassen. Der Prolog machte direkt neugierig, gleich bildeten sich die ersten Fragen. Es kristallisierte sich ziemlich schnell heraus, dass Rachesommer nicht nur aus verschiedenen Perspektiven die Ereignisse behandelt, sondern sich auch verschiedener Handlungsebenen bediente. Während ich mit dem Kriminaloberkommissar Walter Pulaski in deutschen psychiatrischen Kliniken ermittelte, begleitete ich Evelyn Meyers bei seltsamen Mandantenfällen. Beide Handlungsstränge hätten nicht unterschiedlicher sein können, auch wegen der beiden Protagonisten. Sie sind charakterlich verschieden, was einen schönen Kontrast ergab.
Anfänglich fiel es mir nicht so leicht, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Sie waren nicht so richtig greifbar. Je mehr ich aber über sie erfuhr, dienstlich wie auch privat, umso besser konnte ich sie in ihrem Verhalten und Überlegungen verstehen. Zum Schluss hatte ich Pulaski und Evelyn ins Herz geschlossen.
Die Kernthematik ist nichts für zarte Gemüter. Es geht viel um die Zerbrechlichkeit der menschlichen Psyche, die vor allem Kindern schutzlos ausgeliefert sind. Während die Morde an den wohlhabenden Männern relativ mild geschildert wurden, ist im Vergleich das Grauen aus der Vergangenheit der eigentliche Schocker. Mir ist häufig ein Schauer der Fassungslosigkeit über den Rücken gerieselt. Die Bösartigkeit mancher Menschen kennt keine Grenzen und die Konsequenzen für die Betroffenen sind lebenszerstörend. Hier gelang es Andreas Gruber auch einen richtig guten Übergang herzustellen. Während er mir auf der einen Seite einfach erklärte, wie Schutzmechanismen der menschlichen Seele funktionieren, trieb er gleichzeitig das Spiel mit der Rache im Reigen mit Recht und Unrecht auf eine moralische sowie emotionale Spitze.
Die Kombination aus Vergangenheits- und Gegenwartserzählsträngen brachte ebenso Vielfältigkeit wie auch Dynamik ins Geschehen.
Der Schreibstil war erfrischend leicht, auf den Punkt und dank relativ kurzer Kapitel zügig lesbar. Die unterschiedlichen Spannungskurven sorgten für Abwechslung und waren mit viel Authentizität angereichert.
Ich mochte Rachesommer, auch wenn mich einzelne Elemente an andere Geschichten von Andreas Gruber erinnerten. Dennoch gelang es ihm eine völlig authentische und unabhängige Story zu stricken, die trotz allem mit unerwarteten Wendungen aufwarten konnte und mich immer ans Geschehen fesselte. Ein bisschen fehlte mir der gewohnte actionreiche Pepp, aber als Start in eine neue Reihe fand ich den Einstieg schon super.
Besonders freue ich mich auf den nachfolgenden Band, denn ich erhoffe mir, dass ein paar persönliche Fragen, die ich mir gestellt habe, geklärt werden.
Fazit:
Mir hat der Auftakt in die Walter-Pulaski-Reihe definitiv gefallen. Das Kernthema ist nichts für schwache Nerven und das Spiel mit Recht und Unrecht ist fesselnd gelungen.