Dieser Roman sticht direkt mit seinem, in auffälligem Orange gehaltenen, Cover, das einen Fisch in Zeitungspapier gehüllt zeigt, ins Auge. Geschrieben wurde er von Dmitrij Kapitelman, der 1986 in Kiew geboren wurde und im Alter von acht Jahren als so genannter »Kontingentflüchtling« mit seiner Familie nach Deutschland kam. Daher weist die Geschichte sicher auch viele autobiographische Bezüge auf.
Der Ich-Erzähler lebt mit seiner Familie seit Jahrzehnten in Leipzig, ist aber in Kiew geboren, das er bereits in den 90er Jahren als Kind in Richtung Deutschland verlassen hat. Seine Muttersprache ist Russisch, da seine Mutter in Sibirien geboren ist, ihre Kindheit in Moldawien verbrachte und später erst in die Ukraine gezogen ist. Sein Vater ist jüdisch. Im ersten Teil der Geschichte geht es um den "Magasin" der Familie, einen russischen Spezialitätenladen, den sie Mitte der 90er Jahre in Leipzig eröffnet haben und der dann kurz nach Ende der Corona-Auflagen schließen musste. Man erfährt die ein oder andere Anektode aus dem Laden und lernt so die Familie des Ich-Erzählers und deren Umfeld in Leipzig besser kennen. Eine besondere Rolle spielt dabei natürlich seine Mutter, die ausschließlich russisches Fernsehen schaut und voll von der dort verbreiteten Propaganda den Krieg gegen die Ukraine betreffend überzeugt ist. Daher hat sie sich sogar mit den noch dort lebenden Verwandten zerstritten. Auch das Erstarken der AfD und auch des BSW in Sachsen macht dem Ich-Erzähler Sorge, wie immer wieder am Rande anklingt.
Im zweiten Teil reist der junge Mann dann schließlich nach Kiew. Er hofft dadurch im Anschluss auch seine Mutter davon überzeugen zu können, dass ihre Sicht auf den Krieg und die daran Schuldigen die falsche ist. Dadurch, dass er ausschließlich einen deutschen Pass hat, muss er zumindest nicht befürchten, von der ukrainischen Armee eingezogen zu werden. Da geht es den männlichen Verwandten und Bekannten dort anders. Es gibt auch abseits der vollständigen Zerstörung überall Spuren des Krieges. Eine App, die dazu auffordert, Schutz zu suchen, Werbeplakate für die Armee, junge Kriegsversehrte in den öffentlichen Verkehrsmitteln und auch die Menschen, die er dort trifft, werden in ihrem Alltag konsequent damit konfrontiert, dass ihr Land im Krieg ist. Seine Mutter in Deutschland redet die Lage aber trotzdem weiterhin schön und ist überzeugt davon, dass ihm als Zivilisten nichts passieren könne, da die Russen nur militärische Ziele angreifen würden. Trotzdem bleibt auch immer wieder Platz für Galgenhumor, z. B. wenn die Züge in der vom Krieg gegeutelten Ukraine zuverlässiger fahren als die im sächsischen Grimma.
Ich fand es sehr interessant, aus dieser Perspektive mehr über den Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf den Alltag der Menschen und darüber, wie unterschiedlich die Sicht darauf selbst innerhalb einer Familie sein kann, zu erfahren. Ich habe das Hörbuch gehört, das von Dmitrij Kapitelman selbst gesprochen wurde, was das Ganze noch authentischer macht. Trotz der ernsten Thematik bleibt dabei auch immer etwas Raum für Situationskomik, die alles auflockert, wobei diese nie zu plump ausfällt.