Wieder dorthin zurückkehren, wo man hergekommen ist, wie auch immer in der Zwischenzeit verändert, verletzt, geläutert oder gealtert, ist schon in der Literatur der Antike durch Homers Odyssee eine beliebte und klassisch gewordene Geschichte. Unzählige Male ist sie seither aufgegriffen und beschrieben worden. Der große Philosoph Ernst Bloch hat gar am Ende seines philosophischen Hauptwerks "Das Prinzip Hoffnung" das endgültige Ankommen dort, wo man hingehört, zu einem eschatologischen Topos gemacht. Seiner Hoffnung nach wird sich die Geschichte soweit vollenden, daß die Menschheit dort ankommt, was jedem in die Kindheit scheint, wo aber dennoch noch niemand war: die Heimat.
Wie sich in der Zwischenzeit herausgestellt hat, ist wohl auf die Dialektik und die Weisheit der Geschichte als säkularem und sozialistisch-utopischem Ersatz für die alte messianische Hoffnung der jüdisch-christlichen Religion kein wirklicher Verlaß gewesen.
Andere Themen mit großer Sprengkraft im wörtlichen Sinne stehen auf der Agenda der Weltgeschichte. Dennoch: das Thema der Heimat, der Rückkehr dorthin oder der Aufbruch in eine neue Heimat bewegt die Menschen nach wie vor und wird deshalb wohl auch noch in hundert Jahren in jeweils der Zeit angemessenen Odyssee-Geschichten beschrieben werden.
Bernhard Schlink bedient sich in seinem von der literarischen Welt schon lange und mit großer Spannung erwarteten Roman des antiken Mythos` und faltet ihn aus in eine deutsche Nachkriegs-Heimkehr-Geschichte einerseits und die Suche der Hauptfigur nach seinem Vater andererseits.
Um es vorweg zu sagen: Bernhard Schlink hat einen Roman geschrieben, der seinem berühmten Vorgänger "Der Vorleser" in der literarischen Qualität in nichts nachsteht.
Bernhard Schlink hat einen großen Roman geschrieben, der thematisch die Nazidiktatur, die Nachkriegszeit mit ihren Verdrängungen und die Wiederkehr bzw, Wiederauferstehung des Bösen am Anfang des neuen Jahrtausends verknüpft. Er spannt den Bogen vom Hitlerfaschismus und seinen intellektuellen Verfechtern bis zum 11. September 2001 und den politisch-philosophischen Reaktionen darauf in den USA und der westlichen Welt.
Und er verbindet diese kluge Analyse des Bösen mit der Geschichte einer Liebe in einer wunderbaren Prosa, die man so in der gegenwärtigen deutschsprachigen Literatur selten findet.